Es ist im Moment sehr interessant zu beobachten, worüber wir uns aufregen. Nehmen wir zum Beispiel das Vollverschleierungs-Verbot, wie es korrekt heißen müsste. Denn in den meisten Fällen geht es nicht um die afghanische Burka sondern um den schwarzen Niqab, den man allerdings in unseren Breiten – von der Münchener Maximilianstraße abgesehen – auch eher selten sieht. So scheußlich man die Stoffzelte finden kann – sie lohnen die erregte Diskussion nicht. Viel wichtiger ist die Frage, ob und wie in Deutschland das Grundgesetz in Parallellgesellschaften Anwendung findet – etwa in der Frage der Zwangsheiraten und Kinderehen, deren Zahl im vergangenen Jahr extrem in die Höhe geschossen ist und zwar nicht nur in Flüchtlingskreisen. Wie es den Frauen unter dem Schleier oder dem Kopftuch geht, ist die eigentlich wichtige Frage. Wie es mit dem Schutz vor Gewalt in Flüchtlingsheimen aussieht, eine andere. Und wie unser Staat unsere Gesetze durchsetzt, eine dritte. Alle wichtiger als das Burka-Verbot.
Zweites Beispiel: Die Angst vor islamistischem Terror in Deutschland. So grauenhaft die Beispiele aus Frankreich sind und so erschreckend die Taten von Würzburg und Ansbach: Wirklich gefährlich sind in Deutschland die Rechtsextremen. 691 Verletzte wurden im Jahr 2015 in Deutschland gezählt, die Zahl der Gewalttaten aus diesem Spektrum hat sich gegenüber 2014 verdoppelt. In diesem Jahr waren es noch einmal 44 Prozent mehr. Wo ist der Aufschrei der Empörung, wo sind die Expertenrunden auf allen Kanälen? Genauso bedrückend ist die Gewalt von Flüchtlingen gegen Flüchtlinge – ein Thema, das verhältnismäßig unbeachtet bleibt.
Lasst uns über die Burka reden. Über unsere Angst vor Terroristen. Aber lasst uns vor allem darüber reden, wie wir unser Zusammenleben und unsere Werte in jede Richtung verteidigen können. Das ist die wichtigste Frage.