Wo bleiben die Afrikaner?

Nach dem Ende des Rettungsprojekts „Mare Nostrum“ werden die Berichte über ertrinkende Flüchtlinge und kenternde, überfüllte Boote immer verstörender. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi war die Verzweiflung anzumerken, als er gestern an die EU appellierte, Italien nicht mit dem Problem allein zu lassen. Italien hatte die Kosten für die Rettung von rund 140.000 Flüchtlinge  durch Mare Nostrum quasi allein getragen – und auch in den letzten Monaten war es vor allem die italienische Marine, die im Mittelmeer Menschen rettete. Allein seit Anfang April waren es 11.000. Renzi hat Recht: Die EU muss gemeinschaftlich agieren, und zwar schnell. Ein Aspekt allerdings wird bisher allerdings außer Acht gelassen:  Die Frage nämlich, wo eigentlich das Engagement der afrikanischen Länder bleibt. Es sind ihre Bürger, die massenhaft nach Europa flüchten, weil sie aus politischen und religiösen Gründen verfolgt werden oder für sich keine Chance mehr sehen. Weil sie die Korruption, Gewalt und Aussichtslosigkeit in ihren eigenen Ländern nicht mehr ertragen können. Und die Afrikanische Union? Schweigt. Man stelle sich vor, tausende Europäer würden täglich nach Afrika flüchten – und die EU würde dem reglos zusehen. Die Afrikaner nicht mit in die Verantwortung zu nehmen, ist eine Art von fürsorglicher Diskrimierung, die den Kontinent noch immer als Mündel Europas begreift. Insofern ist es völlig legitim, danach zu fragen, was eigentlich innerhalb Afrikas getan wird, um Menschen aus afrikanischen Ländern ein menschenwürdiges, produktives Leben zu ermöglichen.Wie Korruption bekämpft und Fortschritt unterstützt werden. Wie Milliarden an Entwicklungshilfe angelegt werden. Afrika in diesem Dialog als gleichberechtigten Partner Europas anzusehen heißt auch: Forderungen zu formulieren. Und sei es zunächst nur die, sich an Rettungsaktionen im Mittelmeer zu beteiligen und Schlepperbanden das Handwerk zu legen.