Der schneidige Herr Stegner aus dem hohen Norden hat sich vergangene Woche – wie so viele andere – von der jungen Reem aus dem Libanon rühren lassen, die von der Kanzlerin in nicht sonderlich geschickter Weise auf die Bedingtheiten des deutschen Asylrechts hingewiesen wurde und daraufhin in Tränen ausbrach. Es ist dazu genug geschrieben worden, nur ganz offensichtlich noch nicht genug gesagt. Und Ralf Stegner ergänzte die Diskussion nun um den Hinweis, Deutschland könne es sich nicht leisten, „junge und blitzgescheite Mensch “ abzuschieben. Seine Partei, die SPD, werde auf eine entsprechende Änderung des Asylrechts drängen. Sein Parteikollege Thomas Oppermann sekundierte, es könne nicht sein, dass „leistungs – und integrationsbereite Flüchtlinge“ aus Deutschland abgeschoben werden.
Wenn man von der Petitesse absieht, dass die SPD es zu eigenen Regierungszeiten noch nicht einmal in Angriff genommen hat, ein modernes Einwanderungsrecht in Deutschland zu schaffen, ist diese Bemerkung auch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Sie treibt den Nützlichkeitsgedanken auf die Spitze und degradiert den Menschen vom Human Being zum Human Doing. Denn im Umkehrschluss kann das nur heißen: Auf Flüchtlinge, die weder jung noch blitzgescheit oder leistungsfähig sind, kann Deutschland gut verzichten. Sie haben nichts beizutragen. Wie gut, dass Willy Brandt dieses Welt- und Menschenbild nicht mehr miterleben muss. Er floh vor den Nazis nach Norwegen. Auf der Such nach Asyl. Jung. Blitzgescheit. Und auf die Hilfe anderer angewiesen.